01/2020: “What you have missed” – von jazzcity.de

von Michael Rüsenberg auf jazzcity.de

What you have missed, 06.01.20

Pablo Held Gary Husband Norbert Scholly John Schröder Oliver Lutz LOFT Cologne meets Köln
© Peter Tümmers

Schon auf der Straße merkt man: da oben, im dritten Stock, geht die Post ab. Die Leute stehen gedrängt selbst noch im Vorraum: Gary Husband trommelt.
Es ist die 16. Ausgabe der Reihe „Pablo held meets…“ im Loft in Köln-Ehrenfeld. Nicht immer befindet sich unter den Eingeladenen ein Stargast, und noch viel seltener einer aus der Jazzrock-Abteilung.
Held setlistWobei die wenigsten wissen dürften, dass der Gastgeber die einschlägigen Signale schon vorgeburtlich empfangen hat.
Er ist, entgegen seiner eigenen Praxis, ein ausgesprochener Kenner des Genres, die setlist des Abends zeugt davon.
Auch der Gast aus London ist überrascht. Pablo Held, den er zuvor nur aus einem Skype-geführten Interview kennt, bedient an diesem Abend überwiegend nicht das Instrument, das er „so wunderbar“ (Husband) zu bedienen weiß, sondern das Fender Rhodes.
Worauf sonst auch sollten seine Finger schlagen, wenn neben ihm ein Druck ohnegleichen sich Bahn bricht und drum fills schon zwei Takte vor dem Ziel starten und Punkt Zwölf wieder auf der „Eins“ landen.
Das zu erleben hat sich von Leif Berger bis Hardy Fischötter ein Gutteil der Kölner Schlagzeuger eingefunden. So nah wie hier im Loft können sie dem Kollegen nicht auf die Stöcke schauen, der sonst vorzugsweise mit John McLaughlin auf großen Bühnen eher entrückt erscheint.
Gleich mit dem opener – Zawinul´s „Directions“ aus Miles Davis´ Jazzrock-Phase um 1969/70 – werden Ton, Tempo & Dynamik gesetzt, die während zwei Stunden lediglich von zwei Piano-Duos aufgehalten werden.
Gary Husband – das wiederum wissen viele – ist eben auch ein exzellenter Pianist, der z.B. Werke von Gitarrenhelden wie Allan Holdsworth & John McLaughlin auf die 88 Tasten dieses ganz anderen Saiteninstrumentes übertragen hat.
Das Loft verfügt über zwei gut-gepflegte Flügel, und so gehen die beiden nach dem Donner von „Dawn“ (aus dem ersten Mahavishnu-Album „The Inner Mounting Flame“, 1971) zu dem für die Klavierbesetzung naheliegenden, neo-romantischen „ „A Lotus on Irish Streams“ (aus demselben Album) und gleiten zu einem etwas ferneren Stück aus dem gleichen Zeitfenster: „Little Church“ aus Miles Davis „Live Evil“ (1970). Pablo Held pfeift dabei andeutungsweise den damaligen Part von Hermeto Pascoal.
Mit Miles Davis („Yesternow“ aus „Jack Johnson“, 1971) beginnt der zweite set, gefolgt von erneut einem Stück aus Allan Holdsworth´“Wardenclyffe Tower“ (1992), nach „Zarabeth“.
„Against the Clock“; Husband folgt damit der Bitte von Held nach seinem Favoriten aus seiner Arbeit mit Holdsworth. Abgesehen davon, dass der Gastgeber die Wahl seines Gastes kokettierend aufbrezelt, er habe sich ein leichteres Stück vorstellen können, ist auch der Gast nicht frei von Bedenken, seriösen Bedenken.
Nach 37 Jahren mit Holdsworth wollte er nach dessen Tod eigentlich kein Stück mehr von jenem spielen. Aus Respekt und Verehrung.
Die Spielhaltung seiner bis dato unbekannten deutschen Kollegen – nämlich Holdsworth völlig un-Holdsworth-artig zu interpretieren – habe ihn eines Besseren belehrt.
In der Tat, die beiden Gitarristen Norbert Scholly (Köln) und John Schröder (noch Berlin), legten sich wahnsinnig ins Zeug; im Hintergrund mit stoisch solidem timing, was in dieser Hitze auch nottut, Oliver Lutz, bg.
Es war eine große Freude, den Spielwitz, die Begeisterung der Musiker zu erleben. Und, lange nicht gehörtes Repertoire wieder zu entdecken.
Zum Beispiel once again in Jan Hammer, dem Master of Pitchbending, auch völlig ohne Synthie den Komponisten.
In „London Air“ aus seiner Zeit im Trio mit Elvin Jones und gleich zwei Stücke aus dem zauberhaften Album mit Jerry Goodman („Like children“, 1974), nämlich „I remember me“ sowie als Zugabe das Mahavishu-artige „Steppings Tones“, das man strukturell unbedingt John McLaughlin zuschreiben mochte, das aber von dem niemals sonderlich hervorgetretenen Mahavishnu-Bassisten Rick Laird stammt.
Er hat sich vor Jahrzehnten schon der Musik abgewandt.

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