jungesloft: IMPAKT I
Gast: Lê Quan Ninh – precussions
Elisabeth Fügemann (vcl), Nathan Bontrager (vcl), Fabian Jung (perc), Florian Zwissler (synth)
„The very first important impact in music was also my first impression of free improvised jazz. It was a real physical shock.“ (LQN)
Fünf Musiker, zwei Celli, zwei präparierte Basedrums, ein Synthesizer. Eine Besetzung, die zum ersten Mal aufeinander trifft. Le Quan Ninh, eingeladen vom Impakt Kollektiv für improvisierte Musik, bildet mit seinen Mitspieler_innen sofort einen Klangkörper, der gemeinsam atmet und gemeinsame Phrasen bildet. Aus dem Nichts entsteht eine Spur von Sounds, die sich durch das Ensemble zieht und wieder verklingt. Es klingt wie dirigiert, und ist doch nur durch höchste Aufmerksamkeit der Beteiligten entstanden.
„The second and also very huge impact was listening and watching the Merce Cunningham Company with John Cage in Paris. I never came down from that, I’m still in the resonance of this impact over thirty years later.“ (LQN)
Erst später, tiefer in der Musik, setzen sich die Klänge ab, lassen sich zuordnen. Stricknadel auf Basedrumfell, Bogenzwitschern am Cellofuß, Filterschwung durch Sägezahn. Der klangliche Außenseiter auf der Besetzungsliste, Florian Zwissler, entpuppt sich als vollkommen im Ensemble aufgehobener Soundgenerator. Er bedient die Regler seines EMS Synthi A so feinfühlig, dass seine Wellenformen das industrielle Klangarsenal der beiden Basedrums perfekt ergänzen. Und wenn doch ein Sound aus dem Rahmen fällt, bietet er sofort viele Anhaltspunkte für ein Wechselspiel der Imitationen und Kontraste.
„Both impacts were about freedom and I was very attracted by this concept.“ (LQN)
Es ist beeindruckend, wie leise ein fünfköpfiges Ensemble sein kann. Für die beiden Celli, Nathan Bontrager und Elisabeth Fügemann, sind diese spannungsgeladenen Flüsterstellen die Einladung für die differenzierte Klangforschung an ihrem Instrument. Freiheit kann eben auch bedeuten, dass man sich wechselseitig viel Platz lässt, anstatt den Raum an sich zu reißen, der sich bietet. Dieses unmittelbare Wissen, dass der Andere gerade etwas Spannendes zu sagen hat, lässt hier die tiefgründigsten Texturen entstehen. Diese Haltung wird katalysiert durch Le Quan Ninh, der sowohl viel Platz für die Produktion präziser Klangereignisse auf der präparierten Basedrum eingeräumt bekommt, und auch selbst
unheimlich viel Platz lässt, zuhört, innerlich in den Klangereignissen der Mitmusiker_innen mitschwingt.
„I didnt know anything about Cage in the first place. I left the theater and I had an overwhelming feeling of having been free. Free to listen or to not listen, free to see or to not see.“ (LQN)
Zugegeben, es sind sehr abstrakte Sounds, teilweise auch absurde Klänge, die Impakt mit ihrem Gast Le Quan Ninh erzeugen. Aber die Ernsthaftigkeit und Konzentration der Improvsator_innen und die Hingabe in diese Klangwelt lassen das Ohr des Zuhörenden mitwachsen. Man begreift, Fabian Jungs Hände greifen nicht nach der Maurerkelle zu seinen Füßen, sie greifen nach dem Klang, den diese Kelle erzeugt, wenn man sie über das abgewetzte Holz schabt. Und dieser Klang wird sichtbar, im Reißen der Bogensaiten, im Abrieb am Korpus der Basedrums und den Dellen in den Schlagzeugfellen.
„I could feel immediately, that it was a connection between freedom and discipline. It took
me decades to reach this kind of connection.“ (LQN)
Im Gedächtnis bleiben die Momente, in denen die Grenzen zwischen den Instrumenten zerfließen. Der Becher, von Jung konzentriert übers Basedrumfell geschoben, erzeugt dieselbe Tonhöhe wie Fügemanns Cello. Ein eigentlich unmögliches Duett, es ist fast als verbündeten sich die beiden Instrumente zu einer Utopie, in der wirklich jeder aus denselben Möglichkeiten schöpft.
©Luis Reichard 2015