Rezension von Uwe Bräutigam auf nrwjazz.net
Text & Fotos: Uwe Bräutigam
Köln, 17.11.2019 | Schlagzeuger Alex Masso schlägt auf dem Tamburin einen eingängigen Rhythmus und wird vom Bassisten Alex Boneham begleitet. Dann kommen die Bläser auf die Bühne und spielen einen Chorus. Saxophonist Jeremy Rose und Trompeter Nick Garbett werden durch die australische Wahlkölnerin Shannon Barnett an der Posaune unterstützt. Die Band The Vampires spielt den Song Little Mountain den Jeremy seiner kleinen Tochter gewidmet hat. Der Song stammt aus dem hoch gelobten neuen Album Pacifica.
Das Publikum im Kölner Loft erlebt vom ersten Stück an, was diese Band ausmacht. Eine großartige Rhythmusgruppe, die auch Einfluss auf die Melodik nimmt und ein Bläsersatz der kreativ improvisiert, treffen aufeinander und spielen zusammen erfrischend jungen und dynamischen Jazz.
Ursprünglich aus Sydney in Australien leben die Bandmitglieder nun über die Welt verstreut.
Nick Garbett lebt im italienischen Lampedusa, während Alex Boneham in L.A. lebt. Auch die Musik der Band speist sich aus Einflüssen aus der ganzen Welt, hier blitzt ein Reggae durch, dort gibt es Anklänge von Balkanmusik, da taucht ein Rockriff auf und anderswo hört man Latin Einflüsse. Aber die Musik der Vampires ist kein eklektischer Mischmasch, sonder hat einen unverkennbar eigenen Stil, den man so nirgendwo hört oder gehört hat.
Bei Little Mountain spielen Saxophon und Trompete sanfte Linien, während Shannon Barnett mit der Posaune immer wieder kräftige Akzente setzt. Shannon hat bereits auf einigen der früheren Alben mitgespielt und ist mit der Band auch aufgetreten. Man versteht sich, musikalisch und menschlich, das ist sofort zu spüren. Shannon Barnett ist alles andere als eine Gastmusikerin, die ein paar Soli beisteuert, sie ist tragender Teil des Konzerts. Auf der einen Seite haben ihre großartigen Improvisationen viel Raum, auf der anderen Seite gibt sie sich in die Dialoge bzw. Trialoge der Bläser ein. Weil Shannon mitspielt, werden nicht nur neue Stücke gespielt, sondern auch ältere, die man gemeinsam mit ihr aufnahm und die heute wenig gespielt werden.
The Vampires sind eine Band ohne Klavier, das hat im Jazz eine lange Tradition und funktioniert nicht erst bei den Australiern. Legendär war Garry Mulligen mit Chet Baker in ihrer “pianoless“ Band. Auch hier waren Saxophon und Trompete im Mittelpunkt.
Einige Stücke der Band handeln von der Landschaft in Australien oder von einer Insel in Mikronesien und spiegeln die Schönheit der Natur wider. Aber The Vampires machen keineswegs oberflächliche “Sunshine music“. Weder musikalisch noch von der Aussage her. Das Stück Overnight etwa setzt sich mit den unguten weltweiten Entwicklungen, wie Rassismus, Rechtsextremismus usw., auseinander und gibt der Sorge Ausdruck, dass sich über Nacht so vieles zum Schlechten ändert. Auch Alltagsthemen haben Raum. Das Stück Eon wurde von einer Shoppingmall inspiriert. Das Stück beginnt im Trio mit Saxophon, Bass und Schlagzeug. Das Schlagzeug hat hier eine eigene Stimme. Später kommen die beiden anderen Bläser hinzu. Alex Boneham spielt hier ein herausragendes Basssolo.
Immer wieder verlässt die Band die eingeschlagenen Pfade und wagt sich mit freiem Spiel weit hinaus. Dann kehren sie wieder zu ihren Themen zurück. So schaffen sie eine Eingängigkeit, die ihnen auch ein Publikum über den Jazz hinaus eröffnet, ohne irgendwelche kommerziellen Spielchen zu treiben. Moderner Jazz vom Feinsten. The Vampires sind eine Band, die einen unverschämt jungen und unvoreingenommenen Jazz spielen. Große Melodien, spannende Rhythmen und immer wieder abenteuerliche Improvisationsausflüge. Eine Musik, die gute Laune macht, die Freude aufkommen lässt. Das Publikum im LOFT ist ganz beseelt von The Vampires.