05/2017: Das LOFT in Köln – beyond mainstream: Hans Martin Müller im Interview

Interview von Uwe Bräutigam auf nrwjazz.net

Text: Uwe Bräutigam | Fotos: WDR

Köln, 24.05.2017 | Das LOFT in Köln ist in den fast dreißig Jahren seines Bestehens eine feste Institution für kreativen Jazz und Improvisationsmusik. Ein Ort an dem viele Musiker, die heute große Namen in der Musikszene sind, begonnen haben zu spielen. Aber hinter allen Orten und Initiativen stehen immer Menschen. Und der Mensch, der hinter dem LOFT steht ist der Flötist Hans Martin Müller, der für sie Verdienste bei der Förderung der freien Musikszene mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. NRW JAZZ hat nachgefragt, was den Sinfoniker Müller dazu gebracht hat, einen Raum für kreative Musik zu gründen.

Du lebst schon seit vielen Jahren in Köln , wo bist Du geboren? Welche Rolle spielte Musik in Deiner Familie?

Geboren bin ich 1952 in Geldern, aufgewachsen in Kamp Lintfort, und ab meinem zehnten Lebensjahr in Moers. Ich komme aus einer Bergmannsdynastie. Mein Vater war erst Bergwerksdirektor in Kamp Lintfort und ab 1961 Vorstandsvorsitzender der Rheinpreußen AG in Homberg. Die Familie lebte in einem sehr großen Haus in Kamp Lintfort. Dort gab es, wie auch später in unserem Haus in Rheinkamp, Hauskonzerte, und es wurde ab und an klassische Musik gehört. Dazu gehörte auch der obligatorische Klavierunterricht, von dem ich dann befreit war, da ich ein Blasinstrument spielen wollte. Meine Schwester und mein Bruder mussten das mit dem Klavier „durchleiden“.

Wie bist Du zu Deinem Instrument, der Flöte, gekommen?

Ich wollte eigentlich Trompete spielen, wurde Mitglied im CVJM und spielte dort im Posaunenchor erst Blockflöte. Durch einen Unfall verlor ich einen vorderen Schneidezahn – Trompete ging dadurch nicht mehr. Da ich auf der Blockflöte recht talentiert war führte dann der Weg in Moers an der Musikschule zur Querflöte und zum Saxophon mit Unterricht in Duisburg bei einem der dortigen Orchestermusiker.

Welche Stücke aus der Flötenliteratur magst Du besonders gern?

Ich mag besonders die Sachen aus der Flötenliteratur, zu denen ich früh eine Verbindung hatte. Ich bin durch Zufall Berufsmusiker geworden. Nach dem Abitur hatte ich eigentlich, wie in der Familie üblich, den Beruf des Bergbauingenieurs eingeschlagen, so habe ich nach dem Abitur eine Lehre als Bergmann gemacht und eineinhalb Jahre unter Tage gearbeitet. Dann wollte ich, ebenso wie mein Bruder, in Aachen an der TH Bergbau studieren. Das hat mir auch großen Spaß gemacht, bin ich doch mit dem Beruf des Bergbauingenieurs groß geworden. Kurz vor meinem Abitur bin ich nach Salzburg gefahren, über Prof. Haseke, den Onkel eines Freundes, den ich dort besuchte und der dort eine Flötenprofessur innehatte, kam ich zum ersten Mal mit den „klassischen Werken“ der Flötenliteratur in Berührung, dazu gehörten neben Stücken von Debussy u.a. die 12 Telemann Phantasien, die ich am 23.6. in der Kölner Antoniterkircher spielen werde, da sich am 25. Juni der Todestag von Telemann zum 250. Male jährt. Diese Stücke z.B. haben mich mein Leben lang begleitet. Durch Prof. Haseke bin ich dann auch an meinen ersten wichtigen Flötenlehrer vermittelt worden, Herrn Walter Jeschke, der Soloflötist im Duisburger Orchester war. Walter Jeschke war ein großartiger Lehrer, für mich damals genau der richtige. Bei ihm hatte ich Unterricht während meiner Bergbauausbildung. Dieser Lehrer hat die Grundlagen gelegt, die ich brauchte, um später überhaupt die die Chance zu haben, professioneller Musiker zu werden. Das war damals allerdings noch überhaupt nicht in meinem Gesichtsfeld.

Wo war Deine erste Stelle als Musiker?

Der Weg zum professionellen Musiker führte, wie vieles bei mir, über den Jazz. Die Musikhochschule Köln hatte das erste Jazzseminar in Deutschland eingerichtet, mit Manfred Schoof und Peter Trunk. Es war noch nicht das Seminar, wie es heute besteht, und hatte keinen eigenen Fachbereich. Es war ein Zusatzangebot für Schulmusiker und Musiklehrer. Man hatte gemerkt, dass es an der Zeit war, auch den Jazz in die Ausbildung zu integrieren. Saxophon war noch kein „Kulturinstrument“, so habe ich 1972 die Aufnahmeprüfung in Köln auf der Flöte gemacht. Der dortige Flötenprofessor war Karl Heinz Ulrich, auch dies ein riesiger Glücksfall für mich. Er war gerade von seiner Stelle als Soloflötist am Gürzenich an die Hochschule gewechselt. Er fragte mich bei der Aufnahmeprüfung: „Was machen sie denn, Bergbau und Jazzseminar, sie wollen doch Orchestermusiker werden?“ Ich dachte mir, sag jetzt besser nicht nein, sonst nimmt er dich nicht auf. Also stimmte ich zu und war an der Hochschule aufgenommen. Karl Heinz Ulrich bemühte sich sehr um mich. Nach einem halben Jahr gab es einen Hochschulwettbewerb, der war eigentlich für Studenten ab dem vierten Semester ausgeschrieben, aber da wir nur wenige Studenten waren, durften alle teilnehmen, und siehe da, ich gewann den Wettbewerb nach einem halben Jahr Unterricht. Nachdem ich dann 18 Monate an der Hochschule war bewarb ich mich bei der Rheinischen Philharmonie in Koblenz und bekam dort am 1.1.1974 eine Stelle als Soloflötist. Dies war meine erste Stelle als Berufsmusiker und in der damaligen „Flötenwelt“ eine Sensation.

Wie kommt man als klassischer Musiker zum Jazz?

Umgekehrt: wie kommt man als Jazzmusiker zur Klassik? So herum muss man es sehen. Schon als 13-14 Jähriger habe ich mich eher für Jazz als für klassische Musik interessiert, deshalb wollte ich ja Saxophon spielen. Und den Jazz hörte ich im Radio. Zur Konfirmation wünschte ich mir ein Tonbandgerät und nahm von Hilversum 3, WDR oder SWR vieles auf und versuchte, es nachzuspielen. Ab 1967 spielten die Bläser in der Pop Musik dann wieder eine Rolle, nachdem viele Jahre die reinen Gitarrenbands im Mittelpunkt standen. Dann kam die Soulwelle, Wilson Pickett, Aretha Franklin, James Brown usw. Auf dem Lande (sprich: Moers) wollte man da mithalten. Es stellte sich heraus, dass ich in Moers der einzige war, der ein Saxophon besaß und es halbwegs bedienen konnte. Da gab es eine Band, die hieß Injection of Herbs. In diese Band kam ich mit meiner Flöte und meinem Saxophon. Ein Bläser in einer Band, das war damals etwas ganz Besonderes. Jethro Tull und Ian Anderson waren in dieser Zeit sehr berühmt und es war toll, dass es jemanden gab, der diese Sachen halbwegs spielen konnte. Die Injection of Herbs wurden eine Art von Kultband in Moers. Die Band löste sich auf und danach spielte ich in einer Band, die hieß Fresh Soul Company Ltd. Dort spielte ein Trompeter, dessen Name im Jazz nicht ganz unbekannt ist: Burkhard Hennen. Wir versuchten unter anderem, zusammen die Bläsersätze der Soulsongs zu spielen. Burkhard Hennen gründete dann die Röhre und wurde später der Begründer des Moers Festivals. In der Röhre war ich natürlich dabei und hatte dann eine eigene Band, die hieß erst Bluesology und später Schacht 4 (benannt nach dem Ort, wo wir probten). Wir waren so etwas wie die Hausband der Röhre. Ich will nicht sagen, dass wir Jazz spielten, von King Crimson, über Pink Floyd und Doldingers Passport bis zu Mainstream-Jazz haben wir alles gespielt. Es gab eine Band Organisation, die damals schon eine Rolle spielte und sich später Kraftwerk nannte. Als sie sich auf auflöste, habe ich den Bassisten Butch Hauff und den Saxophonisten Peter Martini in meine Band übernommen. Ich komme also von dieser Art Musik und war mit klassischer Musik nicht ganz so vorne. Auch meinen Wohnort in Köln, den habe ich über den Jazz gefunden. 5 Jahre, von 1972 bis 1977, wohnte ich mit meiner Freundin und späteren Frau über dem Jazzclub Päff im Friesenwall. Ich bin eigentlich vom Jazz zur Klassik gekommen und nicht umgekehrt.

Was hat Dich bewogen einen Jazzclub in Köln zu gründen?

Das LOFT ist kein Jazzclub, auch wenn es außen so wahrgenommen wird. Und das war auch nicht die Intention der Gründung. Die ersten zehn Jahre gab es fast gar keinen Jazz im LOFT. Es gab drei Gründe, die zur Gründung des LOFTs führten. Erstens, weil ich es nicht geschafft habe, Jazzmusiker zu werden. Meine Talente lagen eben nicht im Jazz, sondern in der klassischen Musik. Aber ich hatte immer eine Affinität zum Jazz, ich verlor nie den Kontakt zum Jazz, auch als ich mich um meine Orchester Karriere kümmerte. Nach 12 Jahren im Orchester kam jedoch der Wunsch nach „back to the roots“, kümmere dich wieder um die improvisierte Musik. Das LOFT ist die Röhre in Köln, ein Freiraum. Der erste Grund ist also die Erfahrung in der Röhre, das Moerser Jazzfestival, und alles was damit zusammenhing. Der zweite Grund war, dass es in Köln ab 1977 einen Ort gab, das Beginner Studio, den betrieb Walter Zimmermann, der heute Professor für Komposition in Berlin ist. Dort hörte man hauptsächlich zeitgenössische aber auch improvisierte Musik, das erste Konzert dort spielte Steve Lacy. Walter hörte dann 1984 auf. Und ich dachte, so ein Raum fehlt in Köln. Der dritte Grund war, dass ich an der Musikhochschule eine Flöten-Hauptfachklasse hatte und es mich wahnsinnig nervte, dass man dort nicht richtig arbeiten konnte, was die Raumsituation und die Arbeitsmittel betraf. Da dachte ich mir, du machst deinen eigenen Raum, zum Unterrichten, aber auch für Musik in jeder Form. Die Ausmaße, die dieses Projekt angenommen hat, waren so nie geplant. Das hat sich mit der Zeit entwickelt, das ist wohl auch der Grund, warum es am Leben geblieben ist: weil es sehr langsam gewachsen ist.

Kannst Du etwas von den Anfängen des LOFTs erzählen.

Den ersten Raum hatte ich 1986 in der Nähe der Musikhochschule gemietet, Unter Kranenbäumen, ein schöner Raum im Hinterhof eines Gewerbehauses. Er war etwas kleiner als das jetzige LOFT. Diesen Raum habe ich mir zurechtgemacht. Aufgrund meines handwerklichen Geschicks konnte ich das meiste selber machen. Das ist auch einer der Gründe für das Überleben des LOFTs. Mein Nachbar war der Künstler Sigmar Polke. Wir haben uns nicht geliebt, denn die Musik hat ihn gestört und er hat mich dann „heraus gekauft“ aus dem Mietvertag. Mit dem Geld habe ich dann 1987 den Raum in der Wissmannstr. erst gemietet und ausgebaut, später habe ich ihn gekauft. Es gab keine Stromleitung, es gab keine Toilette, kein Wasser, natürlich keine Heizung, es gab gar nichts. Nach der Beendigung des Ausbaus Frühjahr 1988 begannen langsam die Aktivitäten, erst eher privat und kaum öffentlich. Richtig fing es erst im September 1989 an, denn da hatte ich endlich einen guten Steinway A Flügel gefunden. Ein Konzertsaal ohne einen guten Flügel ist eigentlich kein Konzertsaal. Das LOFT in seinen frühesten Anfängen ist übrigens ein halbes Jahr älter als der Stadtgarten und die Philharmonie. Die erste Veranstaltung im Ur-LOFT fand im April 1986 statt, noch im Raum Unter Krahnenbäumen. Doch richtig begonnen haben wir im September 1989. Ab diesem Zeitpunkt fing dann auch das regelmäßige Programm an.

Im LOFT haben im Laufe der Jahre viele damals unbekannter Musiker gespielt, die heute zu den Großen der Szene zählen, kannst Du vielleicht aus den Vielen ein paar Beispiele herausgreifen, die für Dich eindrücklich waren?

Jonas Burgwinkel, der am Wochenende hier gespielt hat, gehört zur nun schon dritten Musikergeneration, die ihre ersten Konzerte im LOFT gespielt haben. Es ist übrigens nicht schwer ein LOFT zu machen, man muss einen Raum mit halbwegs guten Bedingungen für Konzerte schaffen und dann die Tür aufmachen. Die Musiker kommen sofort. Wie der Bär den Honig findet, so findet der Musiker einen Raum, wo er sein Instrument auspacken kann. Das ist gut und schlecht gleichzeitig. Es führt leider dazu, dass die freien Musiker finanziell oft auch zu schlechten Bedingungen spielen, weil sie eben spielen müssen.

Zuerst habe ich Konzerte organisiert, anknüpfend an die Tradition von Moers, vor allem frei improvisierte Musik und Musik, für die es sonst keinen Platz gab, ein Freiraum. Und ich hörte im November 1989 den jungen Frank Gratkowski, der damals noch studierte. Auf den habe ich das LOFT gebaut. Wir hatten von Anfang an eine gute Affinität. Ich habe viel von Frank gelernt, er hat von mir gelernt und wir haben viel voneinander gehabt. Frank definierte für mich die Qualität der Musik, die ich im LOFT haben wollte. Natürlich stand er noch am Anfang, er studierte noch und hatte auch noch kein Examen. Mit ihm produzierte ich seine erste CD „Artikulationen“ in meinem Verlag 2nd Floor Edition (in dem übrigens auch die erste CD von Nils Wograms „root 70“ herausgekommen ist). Die CD habe ich noch selber aufgenommen, ohne Tonmeister. Und Frank hat dann die musikalische Qualität im LOFT über die Jahre definiert.

Ein anderer Musiker war Paulo Alvares, ein Musiker, mehr aus „meiner Richtung“, sprich der klassischen Musik kam, ein Pianist, der auch in meiner Flötenklasse begleitete. 1991 gab es einen nur kurzlebigen Wettbewerb, der hieß „Musik kreativ“. Auf meinen Rat haben Frank Gratkowski und Paulo Alvares daran teilgenommen. Etwa 800 Musiker haben ihre Werke eingesendet und siehe da, Paulo Alvares machte den 1. und Frank Gratkowski den 2. Preis. Das geschah, wie vieles im LOFT, leider unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ich habe das zwar an die Presse gegeben, aber es wurde nicht darüber berichtet.

Durch den Steinway A Flügel (ab 1993 war es dann ein Steinway D-Flügel) kamen viele Pianisten. Georg Gräwe, Hans Lüdemann oder Achim Kaufmann waren sehr früh im LOFT. Dann natürlich Simon Nabatov, der uns auch schon seit 25 Jahren begleitet. Zu dieser ersten Generation gehörten der Saxophonist Matthias Schubert, mein Lieblingstrompeter Reiner Winterschladen, Dieter Manderscheid, und Norbert Rodenkirchen, ein Schüler von mir, ist heute ein Star in der mittelalterlichen Musik. Der Schlagzeuger Thomas Witzmann, Manos Tsangaris, heute Professor für Komposition in Dresden, auch Claudio Puntin oder Steffen Schorn waren als junge Musiker hier. Dann gab es die Großbesetzung, vergleichbar mit dem heutigen Multiple Joyce Orchestra, mit dem Namen Bull`s Eye mit Paul Hubweber, Anna Lindblom, Jeffry Morgan, Carl Ludwig Hübsch und vielen mehr. Nicht zu vergessen Radu Malfatti, der nicht mehr zur jüngeren Generation zählte. Das waren Musiker der ersten Generation. Dazu kamen die nationalen oder internationalen Musiker wie Peter Brötzmann, Alexander von Schlippenbach, Paul Lovens usw. Dann die „goldene Generation“, mit Nils Wogram, Jochen Rückert, Matt Penman, Hayden Chisholm, Thomas Rückert, Jürgen Friedrich, Florian Weber, Gareth Lubbe und vielen mehr (hier verlässt mich mein Namens Gedächtnis), alles Musiker, die jetzt so in den Vierzigern sind. Root 70´s – in den Siebziger Jahren geboren. Diese Musiker hatten während ihres Studiums hier immer eine offene Tür, natürlich heute auch noch.

Dann kamen die Musiker, die die Initiative Klaeng gegründet haben , die alle hier waren während ihres Studiums, Robert Landfermann, Jonas Burgwinkel, Frederik Köster, Tobias Hoffmann, Tobias Christl, Niels Klein und Pablo Held.

Das waren Beispiele aus den drei Generationen, es gibt natürlich noch viel mehr Musiker, die ich nicht erwähnt habe (sorry for that). Jetzt kommen schon wieder ganz junge neue Musiker.

Zur Musik im LOFT mit Schwerpunkt improvisierte und experimentelle Musik hast Du ja schon einiges gesagt.

Durch meine Beziehungen, vor allem durch das Orchester, haben wir in den ersten zehn Jahren im LOFT viel Neue Musik gespielt. Die Größen der Neuen Musik waren alle hier, Karlheinz Stockhausen (dessen gesamtes Klavierwerk hier aufgeführt wurde), Luciano Berio, Mauricio Kagel oder Péter Eötvös. Das unterscheidet das LOFT von einem klassischen Jazzclub. Dann waren aber auch Günter Hampel, Dave Douglas, Tim Berne u.a. der Downtown Szene von New York in den 90ern hier. Das LOFT war auch immer gedacht für Musik, die man nicht einfach so benennen kann. Wir wollten die Zwischenräume besetzen und fördern. Und all das auf einem hohen Niveau. Alles im LOFT, vom Instrumentarium bis zu den Aufnahmemöglichkeiten hat einen hohen Standard. Ich gehe dabei als „Sinfoniker“ vom dem Niveau aus, das ich im Orchester gewohnt bin. Wenn aber die Bedingungen stimmen, wird die Musik besser. Wir müssen uns von dem romantischen Künstlerideal, das nur ein hungriger Musiker ein guter Musiker ist, verabschieden. Guter Jazz wird nicht gut, wenn er in Kaschemmen auf schlechten Klavieren, schlechten Schlagzeugen und miesen Verstärkern gespielt wird.

Die Improvisationsmusik erfährt im Moment mehr Akzeptanz, die Verbindung zur Klassik wird stärker gepflegt. Kannst Du etwas zu dieser Tendenz sagen?

Die Improvisation hat auch Aufwind z.B. durch die Alte Musik bekommen, Barockmusik ist in weiten Teilen improvisierte Musik, auch in der Neuen Musik hat Improvisation immer mehr Raum bekommen. Da sind sich die Musiker gar nicht unähnlich. Und auch im alltäglichen Leben erfährt Improvisation wieder eine höhere Wertschätzung, als das früher der Fall war. Das geht soweit, dass Jazzmusiker oder Improvisationsmusiker Kurse für Manager geben. Auch scheint in Köln eine Aufbruchsstimmung im Bereich Jazz, Improvisation und aktueller Musik zu geben. Das wird auch in der Kulturpolitik wahrgenommen, dass da etwas passiert, und sie wollen dabei sein. Wenn in der „Zeit“ im Januar in einem Artikel steht: „Was Köln kann? Jazz!“, dann ist das auch ein Statement. Wir können uns im Augenblick auch nicht wirklich beklagen über die Unterstützung durch die Politik, d.h. Kulturamt usw.

Das LOFT ist ja kein Unternehmen der Musikwirtschaft, sondern eher ein Ort der Förderung von Musik und Musikern. Kannst etwas über die Struktur des LOFTs erzählen?

Die Struktur ist ganz einfach: nachdem ich von 1989 bis 2004 das LOFT als GbR geführt habe gibt es jetzt den Verein 2nd Floor, dessen Vorsitzende Dieter Manderscheid und Frank Gratkowski sind, die Mitglieder sind Musiker und enge Freunde, die dem Loft verbunden sind. Alle Förderer sagten, dass es besser wäre, wenn es einen Verein mit mir als „Geschäftsführer“ gäbe. Ich habe immer betont, dass das LOFT kein musikwirtschaftliches Unternehmen ist, sondern ein Ort von einem Musiker für andere Musiker. Finanziert habe ich das LOFT über die Jahre aus meinen privaten Mitteln. Ich hatte ein gutes Gehalt im Orchester, hatte meine Stelle als Leiter einer Hauptfachklasse an der Musikhochschule, habe als Soloflötist in Bayreuth gespielt und in fast jedem Kammerorchester im Umkreis von 100 km, dazu kamen noch zahlreiche Studiojobs. Das hat mir erlaubt, etwas in diese Institution zu stecken – in den ersten 10 Jahren summierte sich diese Summe auf 376 000 DM.

„Ich bekomme mein Geld“ und nicht „Ich verdiene mein Geld“ habe ich gedacht, wenn ich hervorragende Musiker sehe, die mit einem Jahreseinkommen von 12 000 € zurechtkommen müssen, während ich mit einem subventionierten guten Gehalt beim WDR arbeitete. Mit dem LOFT habe ich versucht, etwas zurückzugeben an die freie Musikszene.

Die sogenannten „Mucken“ wurden in den letzten 20 Jahren immer weniger, auch, weil es immer mehr freie Musiker gab. Ich habe dann 2002 auch an der Hochschule aufgehört, weil es mir zu viel wurde. Dadurch hatte ich weniger Geld und schließlich ist das Kulturamt der Stadt Köln dann eingesprungen, um mit einem Betriebskostenzuschuss den Fortbestand des LOFTs zu sichern. Dieser ist gerade erhöht worden, damit jetzt eine halbe Stelle für das künstlerische Betriebsbüro eingerichtet werden kann. Diese halbe Stelle wird jetzt erst einmal mein Sohn Benedikt einrichten und besetzen. Schon seit sehr vielen Jahren wäre das LOFT ohne seine Mithilfe nicht denkbar und existenzfähig. Eigentlich ist er von Haus aus promovierter Biologe, aber ein glücklicher Umstand führte dazu, dass seine Stelle an der Uni Köln jetzt auslief und er sich einige Zeit ganz dem LOFT widmen kann. Er ist ja mit dem Jazz und dem LOFT groß geworden und zurzeit auch einer der 3 Sprecher der Kölner Jazzkonferenz. Wir müssen Leute bezahlen, die den Abend hier sind und die Konzerte betreuen. Es wird wohl kaum noch einen „Wahnsinnigen“, geben, der sich hier fast jeden Abend kostenfrei hinstellt.

Leider werden wir von der „Initiative Musik“ vom Bund nicht gefördert, weil sie nicht akzeptiert, dass sich die Musiker an unseren Kosten in Form eines Mietvertrags beteiligen. Wir sprechen hier von Kosten zwischen 20 und 35 €uro pro Konzert. Das sind unsere GEMA Kosten. Die Musiker bekommen dann die gesamten Einnahmen der Eintrittsgelder. Die Musiker zahlen also eine kleine Miete und der Rest gehört ihnen, leider sind wir nicht in der Lage, Gagen zu zahlen, da müsste unsere Förderung einen ganz anderen Umfang haben. So haben wir dieses System – der Erfolg, was die Musiker betrifft, gibt uns dabei Recht. Die UDJ und die Initiative Musik sehen das eben anders. Wenn der Stadtgarten jetzt mit 600 000 € gefördert wird von Stadt und Land, dann bin ich nicht neidisch, im Gegenteil, die Mittel kommen den Musikern zu Gute und da ist es egal, wer sie an sie weitergibt.

Ein paar kurze Sätze zur Zukunft des Jazz in Köln und NRW.

Ganz NRW“ kann ich leider nicht beurteilen. Jazz ist eine sehr urbane Musik. Der Jazz lebt von vielen Jazzmusikern an einem Ort. So könnte man ein Jazz-Zentrum nicht in Bochum oder Mülheim gründen (jetzt gucken viele böse, aber so ist es nun einmal). Köln ist auf einem guten Weg. Einmal durch die Musikhochschule mit ihrer qualitativ ausgezeichneten Jazzabteilung, aber auch durch ein starkes Fundament an Spielstätten wie Stadtgarten, LOFT und vielen anderen, die den Musikern Möglichkeiten bieten, etwas zu entwickeln, zu produzieren. Der Deutschlandfunk ist noch recht aktiv in der Förderung der Szene durch Produktionsmöglichkeiten, leider hat sich der WDR, ohne den es z.B. der Stadtgarten in der ersten Jahren sehr schwer gehabt hätte zu überleben, aus der Förderung der Kölner Musikszene zurückgezogen. Die Jazz-Szene und vor allem der Kollege Reiner Michalke können jetzt immerhin die Ernte von jahrelanger Arbeit einbringen, denn der Stadtgarten erhält jetzt Mittel und wird als europäisches Zentrum für Jazz und aktuelle Musik ausgebaut, auch, um die sehr lebendige Musiker-Szene zu präsentieren (z.B. die Initiative Klaeng, aber auch das Subway Jazz Orchestra oder die Initiative Impakt) und wir hoffen, dass das so erhalten bleibt. Die Gründung der Kölner Jazzkonferenz im Oktober 2015 war ein wichtiger Schritt, dadurch ist diese Musikrichtung auch politisch gut aufgestellt. Es gut, dass die Szene gut informiert ist und in einem transparenten Prozess beobachten kann, was sich entwickelt.

Auch der Verein 2nd Floor und ich möchten das LOFT transparent halten, die jungen Leute, die hier mitarbeiten, die können, wenn sie möchten, in alle Bücher schauen oder in unseren Planungskalender. Alles ist so offen und so transparent wie möglich.

Der Anteil von 6,5 Millionen Euro für die gesamte freie Szene, also Kunst, Tanz usw. ist bei einem Kölner Kulturetat von 200 Millionen zu gering, da wäre deutlich Luft nach oben. Gab es früher im Musikbereich 70 % Festangestellte und 30% Freie Musiker, so hat sich heute das Verhältnis umgekehrt. Die Bürgerschaft und die Politik hat die Aufgabe, sich zu überlegen, wie sie diese freien Szenen teilhaben lässt an den Mitteln, die sie für Kultur zur Verfügung stellt. Auch, ob man mit dem größten Teil der eingesetzten Mittel hauptsächlich die Kultur der Vergangenheit fördert oder nicht auch die Kultur, die aus der Gegenwart in die Zukunft weist, Kultur, die improvisiert und experimentell Neues entwickelt (dazu gehört auch der Jazz). Jazz und improvisierte Musik haben eine große integrative Kraft, sie haben immer neue Elemente aufgenommen und diese werden auch wieder von anderen aufgenommen und integriert. In dieser Kunstform steckt ein großes Potenzial.

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute für Dich und das LOFT.