01/2023: Marlies Debacker & Salim Javaid | Convolution

Rezension von Uwe Bräutigam auf nrwjazz.net

Text & Fotos: Uwe Bräutigam

Köln, 01.02.2023 | Die belgische Pianistin Marlies Debacker und der tschechisch-pakistanische Saxophonist Salim Javaid, die beide in Köln leben, präsentieren mit ihrem Duo Projekt CONVOLUTION eine Live Aufnahme Session im LOFT. Es handelt sich ausnahmslos um neue Stücke, die zusammen eine 70 minütige Improvisation bilden.

Marlies Debacker und Salim Javaid sind beide Mitglied im Kölner Musikkollektiv IMPAKT und spielen in unterschiedlichen Formationen, zusammen und einzeln. Bekannt sind sie auch durch das TRIO ABSTRACT, zusammen mit Shiau-Shiuan Hung (percussion), in dem sie zeitgenössische Musik spielen. Beide haben an der Musikhochschule in Köln studiert und dann an der Folkwang Hochschule in Essen zusätzlich zeitgenössische Musik studiert. Marlies und Salim haben sowohl eine klassische, wie auch eine Ausbildung in Jazz. Marlies unterrichtet freie Improvisation und zeitgenössische Pianotechniken an der Hochschule für Musik und Tanz Köln.

Die Instrumentierung im Loft sieht nicht gerade nach einem Duo Konzert aus. Zwei Flügel und ein Clavinet und Sopran-, Alt- und Baritonsaxophon sind aufgebaut. Die beiden Flügel sind mit verschiedenen Materialien präpariert.

Das Konzert beginnt mit Marlies Debacker am kleineren Flügel und Salim Javaid am Sopransaxophon. Es werden einzelne Töne am Flügel gespielt mit viel Raum für Stille und dazu leise zarte Sopransaxophontöne. Marlies erzeugt dann an kleinen Holzstäbchen, die an den Saiten des Flügels angebracht wurden, mit den Händen schwingende, elektronisch klingende Töne.

Im zweiten Stück wechselt Marlies an das Clavinet und Salim spielt Altsaxophon. Schnelle klackende Geräusche, dann laute brausende Töne, die Marlies durch erweiterte Techniken am Clavinet mit kleinen Klöppeln hervorbringt. Salim hat das Saxophon, zeitweise mit dem Schalltrichter gegen sein Bein gedrückt, so entstehen gepresste Klänge. Aber er spielt auch ein sehr voluminöses Vibrato.

Im nächsten Stück wechselt Marlies an den großen Flügel und spielt auf der Tastatur einzelne Töne mit langen Nachhall und langen Pausen. Dazu erklingen kleine Läufe auf dem Altsaxophon. Das Klavierspiel wird mit der Zeit dichter.

Marlies spielt dann lange tiefe hallige Töne begleitet von Sopranlinien. Wieder zurück am kleineren Flügel, spielt sie mit verschiedenen Hilfsmitteln auf den Saiten des Flügels und erzeugt brausende Klänge, die an Wind erinnern. Salim hat das Altsaxophon gestopft und begleitet mit kurzen Linien das präparierte Piano. Er wechselt dann noch einmal an das Sopransaxophon.

Alle Abschnitte des Gesamtstückes haben einen ganz eigenen Charakter, die sich klanglich, von der Dynamik und von der erzeugten Stimmung sehr von einander unterscheiden. Für die einzelnen Stücke gibt es nur ein paar wenige Noten und Absprachen, alles weitere wird improvisiert und entwickelt sich im gemeinsamen Spiel. Ein kurzer Blickkontakt gibt oft Signale an den Partner und die Partnerin. Dieses tief empfundene Zusammenspiel von Musikerin und Musiker gibt der Musik eine ganz besondere Dimension.

In allen Teilen lassen Marlies und Salim Raum für Stille und Pausen. So entsteht eine Musik, bei der jeder Ton wichtig und bedeutsam ist. Die beiden haben etwa nach der Hälfte der 70 Minuten eine Pause gemacht. Das war sowohl für den/die Musiker*in als auch für das Publikum wichtig. Die Musik fordert und führt auch zu einer großen Aufmerksamkeit. Da ist eine kleine Pause, eine kleine Entspannung gut, um mit neuer Achtsamkeit dem zweiten Teil zu folgen. Das Publikum lauscht gebannt der Musik und selbst in der Pause bleibt es noch recht still. Marlies Debacker und Salim Javaid machen improvisierte zeitgenössische Musik mit Lebendigkeit und viel Raum für Stille. Der Mitschnitt wird nicht eins zu eins als CD erscheinen, aber es werden sicher Teile davon ihren Weg auf einen Tonträger finden.

https://marliesdebacker.com/

https://salimjavaid.com/