von Michael Rüsenberg – jazzcity.de
Das LOFT in Köln-Ehrenfeld, gerne als „musikalisches Wohnzimmer“ beschrieben und deshalb auch gepriesen wegen seiner „familiären Atmosphäre“, erfordert eine ausgetüftelte Raumordung für den Fall, dass eine Big Band Aufstellung nehmen will. Geht alles. Vorletzte Woche hat Maria Schneider mit dem Subway Jazz Orchestra hier geprobt, und eben nicht in der namengebenden Diskothek. Was ihr recht ist, sollte Pascal Klewer billig sein.
Klewer ist Trompeter und erst 24; bei seiner Big Band, überwiegend aus Studenten und Absolventen der Musikhochschule Köln, haben Evan Parker, Pablo Held, Christopher Dell und Christian Lillinger gastiert. An diesem Klangkörper muss was also dran sein!
Das geht schon los bei der Aufstellung: zwei Bassisten! Und der Platz des zweiten Trompeters – leer. Klewer begrüsst das Publikum und kündigt an eine Suite aus alten und neuen Bestandteilen, verteilt auf zwei Konzerthälften. Er wird später – in ungewohnter Jovialität für einen Bandleader – aus dem Probenkästchen plaudern: „zu wenig Probenzeit für zu schwierige Stücke“. Er meint die Vergangenheit, nicht dieses Konzert, nicht das jetzt & gleich.
Und er fängt an mit dem Schwersten: nicht mit Pauken & Trompeten, nein, vereinzelte Töne, programmiert ausgegeben vom keyboard, werden von den Bläsern aufgegriffen und poly-metrisch zunehmend verdichtet. Mhm, gerade noch mal gut gegangen. Klewer beendet sein Dirigat und begibt sich auf den Platz des zweiten Trompeters. Er wird ihn erst wieder zur emphatisch verlangten Zugabe verlassen, um einen von ihm arrangierten Messiaen-Choral zu dirigieren. 18 Menschen, die komplizierte Stücke spielen ohne anweisende Hände, wie soll das gehen?
Die Sängerin Lina Knörr, links außen postiert, übernimmt ganz gelegentlich die Aufgabe. (Sie ist akustisch bestens integriert und segelt nicht spitz „oben drüber“; an einer Stelle wird sie ihr mädchenhaftes Timbre auf ein pulsierendes Duett der Bassisten Roger Kintopf und Felix Henkelhausen setzen.)
Mitunter sieht man auch den Bandleader von seinem Trompetenplatz anzählen. Mehr Steuerung ist nicht. Und die braucht´s vielfach auch nicht, bei Klewer haben Solisten viel Auslauf, bis hin zu ausgesprochenen Solo-Breaks. Vor dem zweiten set – bevor er sich schnurstracks wieder auf den Platz des zweiten Trompeters begibt – kündigt Klewer einen solchen Freiraum an. Er war schon mal reserviert für Peter Brötzmann, ts. Jetzt füllt ihn Fabian Dudek, as, aus. Durch ihn hindurch kann man lebhaft das Brötzmann´sche Röhren imaginieren, einhegt durch ein weiträumiges ostinato, das von Tempo & Duktus her ganz entfernt an Frank Zappa´s „Outside now“ erinnert. Solche mächtigen Grooves setzt Klewer gerne ein, aber auch das schiere Gegenteil, die Kollekivimprovisation über aufgelöstem Metrum, dann wieder auch den uptempo swing, der unter dem Zugriff der beiden Bassisten jubiliert. In Erinnerung bleibt hier der Tenorsaxophonist Victor Fox, 19 (er hat schon mit 15 im Loft gespielt, konnte aber nach dem alten Motto von Manuela „Ich muss noch zur Schule, ich hab´ keine Zeit“ am after show-Abhängen damals nicht teilnehmen). Felix Hauptmann, natürlich, bleibt in Erinnerung, der Schlagzeuger Anthony Greminger und eben auch, dass unter den Holzbläsern die tiefen Instrumente – Baritonsaxophon und Baßklarinette – in der Hand einer Musikerin liegen, Kira Linn. Weswegen der Bandleader das Gendersternchen auch flüssig spricht. Das Loft, man sagt es ungern, ist seiner trockenen Akustik wegen nicht der optimale Ort, um 18 Stimmen immer zweifelsfrei auseinanderzuhalten. Der Mitschnitt des DLF wird mit ein wenig „Raum“-Zumischung das Konzert noch einmal anders zum Strahlen bringen.