„Was Köln kann? Jazz!“ schrieb schon 2017 Ulrich Stock in der Zeit, und in der Tat hat wohl in den letzten 10 Jahren in keiner deutschen Stadt der Jazz eine so starke Entwicklung genommen und so große nationale und internationale Aufmerksamkeit erreicht wie in Köln.
Die Gründe hierfür sind mannigfaltig. Langsam und stetig gewachsene Strukturen, gut ausgestattete Spielstätten, engagierte Einzelpersonen und Initiativen, mit dem Deutschlandfunk und dem Westdeutschen Rundfunk zwei unterstützende Rundfunkanstalten, konsequente Förderung durch das Kulturamt der Stadt Köln und durch das Landesministerium Nordrhein-Westfalen, und vor neun Jahren vor allem der Wille der Szene, eine wirksame politische Interessenvertretung für den Jazz und letztendlich dann auch für die gesamte Freie Musik-Szene zu gründen waren und sind entscheidend für den Erfolg dieser Entwicklung.
Am Anfang mag auch die Gründung eines Jazzseminars 1957 an der Kölner Musikhochschule (heute: Hochschule für Musik und Tanz Köln) gestanden haben, das dann 1981 im ersten vollwertigen Studiengang Jazz in der Bundesrepublik aufging. Zu Beginn der 70er Jahre waren der Bassist Peter Trunk und der Trompeter Manfred Schoof die Dozenten, was etliche junge Jazzmusiker*innen bewog, nach Köln zu kommen. Unter anderem Mitglieder dieses Seminars gründeten dann 1978 die Initiative Kölner Jazzhaus e.V., 1979 das eigene Plattenlabel JazzHausMusik und 1980 die Offene Jazz Haus Schule, die das Thema Jazz zunehmend in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rückten.
1986 war es dann soweit, denn zeitgleich mit der Einweihung der Kölner Philharmonie eröffnete die Initiative Kölner Jazzhaus e.V. mit dem Stadtgarten ihre eigene Spielstätte, die es schnell zu großer Anerkennung brachte. Zum ersten Mal war eine Infrastruktur für Konzerte, Veröffentlichung und Ausbildung in Köln jetzt in der Hand von Musiker*innen. Reiner Michalke, die herausragende Persönlichkeit für die Entwicklung der Kölner Jazz-Szene der letzten 45 Jahre, zeichnete als Vorstand und künstlerischer Leiter zusammen mit Matthias von Welck über 30 Jahre verantwortlich für den Erfolg und die Ausstrahlung dieses Ortes, der 2016 auch das Europäische Zentrum für Jazz und aktuelle Musik beheimatet. 1989 eröffnete dann der Flötist des WDR Sinfonieorchesters Hans Martin Müller mit dem LOFT eine Spielstätte, deren Aktivitäten und Programme seitdem eine ideale Ergänzung zum Stadtgarten bilden.
Beide Spielstätten erhielten den seit 2021 ausgelobten Deutschen Jazzpreis als Spielstätte/Club des Jahres, der Stadtgarten im Jahr 2022 und das LOFT im Jahr 2021 und ein weiteres Mal im Jahr 2023, was die herausragende Bedeutung beider Spielstätten nicht nur für die Kölner Jazz-Szene unterstreicht.
Im Laufe der Jahre kamen dann weitere attraktive Spielstätten hinzu bzw nahmen den Jazz mit ins Programm, wie das artheater, das Alte Pfandhaus, der Salon de Jazz oder das King Georg, es gab Gründungen von Musiker*innen-Initiativen wie KLAENG und impakt, dazu wurden Konzertreihen wie real live jazz, Jazz im Greesberger oder die Jazzzeit im Heimathirsch organisiert, die bis heute die lebendige live-Jazz-Szene vervollständigen.
Einen nahezu lückenlosen und tagesaktuellen Veranstaltungskalender präsentiert die Kölner Szene auf ihrem Portal jazzstadt.de.
Zum Erfolg gehört natürlich vor allem eine qualitativ und quantitativ herausragende Musiker*innen-Szene, aus der sich z.B. neben national und international bekannten Solist*innen und Formationen auch drei BigBands rekrutieren (Cologne Contemporary Jazz Orchestra, Subway Jazz Orchestra und Fuchsthone Orchestra).
Von ebenso großer Bedeutung war und ist aber auch die politische Arbeit: nachdem Reiner Michalke viele Jahre als Mitglied des Kölner Kulturausschusses und zahlreicher Gremien für die Wahrnehmung des Jazz nicht nur in der Kölner Kulturlandschaft gesorgt hatte, traf sich im Jahr 2015 ein Triumvirat bestehend aus Stadtgarten-Chef Reiner Michalke, Dieter Manderscheid (Bassist und Dekan der Jazzabteilung der Hochschule für Musik und Tanz Köln) und LOFT-Betreiber Hans Martin Müller, um sich über den Zustand der Szene und die Möglichkeiten einer wirksameren politischen Interessenvertretung auszutauschen. Ergebnis war die Gründung der Kölner Jazzkonferenz (KJK) im Herbst 2015, gleichzeitig wurde von Hans Martin Müller als Gründungssprecher der KJK (zusammen mit Dieter Manderscheid und Lisa Burgwinkel) und dann auch mit ihm als Sprecher des Initiativkreis Freie Musik (IFM, heute: Initiative Freie Musik e.V.) die Umstrukturierung und Gründung einer wirksamen politischen Interessenvertretung der gesamten freien professionellen Musikszene vorangetrieben und in die Wege geleitet. Als Ergebnis dieser Arbeit sind heute nach dem Jazz auch die Einzelsparten Neue Musik, Alte Musik, Elektronik und Klangkunst, Globale Musik, Klassische Musik und Musiktheater in Vereinen für ihre eigenen Interessen organisierten, und lassen diese durch den IFM als Dachverband vertreten.
Nach der Gründung der KJK im Jahr 2015 begleiteten dessen Mitglieder die Erstellung eines Konzepts für das Europäische Zentrum für Jazz und aktuelle Musik im Stadtgarten, welches 2016 mit der Arbeit begann. Seit 2021 gibt es mit der Cologne Jazzweek auch wieder ein vielbeachtetes Jazzfestival, das in Trägerschaft der KJK von dem Posaunisten Janning Trumann gegründet wurde und als Geschäftsführer geleitet wird, während ein von der KJK gewähltes Kuratorium für die künstlerische Leitung verantwortlich ist. In der ersten Septemberwoche 2024 findet die Cologne Jazzweek zum 4. Mal statt, im Jahr 2023 wurde das Szene-Festival mit dem Deutschen Jazzpreis als Festival des Jahres ausgezeichnet.
Daneben gibt es die schon seit 11 Jahren regelmäßig von der Initiative KLAENG veranstalteten Festivals, der Stadtgarten organisiert Winterjazz und Night of Surprise, und das LOFT das PLUSHMUSIC Festival – alles Aktivitäten, die zusammen mit einem weiterhin attraktiven Studiengang Jazz an der Hochschule für Musik und Tanz Köln dazu beitragen, Köln zu einer der interessantesten und lebendigsten Metropolen für Jazz und aktuelle Musik zu machen, die für Publikum und Musiker*innen gleichermaßen attraktiv ist.
Kein Wunder, dass der Deutsche Jazzpreis jetzt in Köln verliehen wird, denn zahlreiche Nominierungen und Preise dieser Auszeichnung gingen und gehen an Musiker*innen und Institutionen der Kölner Szene.
Mit vereinten Kräften gilt es nun, diese Szene zu erhalten, zu stärken und auszubauen.