03/2015: Interview mit David Helm – von Luis Reichard

30.03.2015

David Helm hätte allen Grund nervös zu sein, wir treffen uns anderthalb Stunden vor Beginn seines Examenskonzert. Doch weit gefehlt, der Kontrabassist und Bandleader der Formation The Lambshades wirkt entspannt. Mit der in der Jazzszene üblichen unaufgeregten Freundlichkeit spricht er über seine Band, wie er Musik hört und seine Zukunftspläne.

David, was erwartet den Zuhörer heute Abend?

David: Den Zuhörer erwartet vorrangig Musik, die ich komponiert habe. Das ist für mich neu und aufregend. Ich spiele zwar in vielen Bands, aber meine eigenen Kompositionen stehen heute das erste Mal im Fokus. Dabei soll musikalisch die Bandbreite von Dynamik und Ausdruck möglichst groß sein. Wir wollen den guten Moment abpassen und zusammen mithilfe meiner Stücke stimmige Musik entwickeln. Wir haben viel geprobt, aber ein gewisses Risiko bleibt natürlich, da es einige sehr offene Improvisationsmomente gibt – und das ist auch gut so.

Wie viele Freiheiten lässt du der Band?

David: Eigentlich alle, mittlerweile kennen sich die Akteure spielerisch sehr gut. Das Schöne ist, dass jeder seine Stimme gefunden hat – in der Band aber auch als Solist. Ich frage ja genau diese Leute, weil ich toll finde was die machen. Deshalb bin ich froh, wenn sie sich möglichst frei fühlen und lasse mich auch gerne überraschen.

Ist die Band eine Formation nur für diesen Abend?

Nein, wir haben schon einige Konzerte gespielt, vorrangig mit Stücken des amerikanischen Schlagzeugers Paul Motian und Kompositionen von Ralph Beerkircher. Mir hat das dann unheimlich Spaß gemacht und ich stehe sehr auf die Besetzung mit E-Gitarre. Für mein Examenskonzert bot sich dann an für diese Formation gezielt Stücke zu schreiben.

 

Was hat es mit dem Bandnamen auf sich?

The Lampshades ist eher ein Arbeitstitel. Die Idee habe ich aus einem Jim Jarmusch Film, Night on Earth. In einer Szene gibt es einen Taxifahrer namens Helmut und sein Kunde, der Amerikaner ist, nennt ihn  Helmet, das fand ich lustig, wegen meines Nachnamens „Helm“. Der Amerikaner sagt dann, wenn man Helmet heißt, könnte man sein Kind doch gleich „Lampshade“, also Lampenschirm nennen. Aber leider gibt es eine andere Band, die schon so heißt, deshalb kann das nicht so bleiben.

Kannst du un skurz etwas über deine Mitmusiker erzählen?

Mit Fabian Arends spiele ich viel zusammen, mit Christoph Möckel auch öfter, Ralph ist eine Art Neuentdeckung für uns. Wir hatten eine Jam-Session vor zwei oder drei Jahren, bei der er Paul Motian Stücke mitgebracht hatte. Das Spielen dieser Stücke hat mir einfach Spaß gemacht. Der Rest hat sich ergeben.

Was fasziniert dich an Paul Motian?

Mich fasziniert diese Unbedarftheit, mit der er an Musik herangeht, besonders bei den späteren Sachen, er arbeitet wenig mit Klischees. Wenn er dann doch welche benutzt, dann passieren sie einfach, ich höre  ihm sehr gerne zu. Er hat seinen eigenen Sound, seine eigene Sprache, fernab von Dogmen. Time, also  das Tempo, wird sehr offen gestaltet: das ist die spielerische Seite. Und zum andern finde ich seine Kompositionen beeindruckend, er schreibt vermeintlich simple Melodie, klare Farben, aber das Schöne  daran ist, dass die Melodien sofort dazu einladen, zu gestalten. Das ist auch gar nicht so einfach – meine Kompositionen sind oft viel konkreter.

Gibt es Alben von ihm, die dich inspiriert haben?

Vor allem Trioism und On BroadwayVol. 1-5, generell habe ich mir die Aufnahmen im Trio mit Joe Lovano und Bill Frisell viel angehört. Motian lockt aus seinen Mitmusikern faszinierendes heraus,eine schöne  Symbiose. Inspiriert hat mich Motian bei einigen Stücken, ich habe aber auch viele andere Einflüsse verarbeitet, beispielsweise das erste Streichquartett von Alban Berg oder Bands wie Grizzlybear.

Wie hörst du Musik?

Früher bin ich oft mit Kopfhörern spazieren gegangen, das habe ich mir mittlerweile abgewöhnt. Ich mag es, die Geräusche zu hören, die mich umgeben. Natürlich setze ich mich oft einfach bewusst hin zum Musikhören, aber oft höre ich Musik auch unterwegs im Auto. Da liegt alles voller CDs. Das finde ich  schön, diese Erlebnis dass man ein paar CDs hat, die man so oft gehört hat, bis man alles mitsingen kann. Meine Erfahrung ist: Bei Spotify oder einer mp3 Bibliothek klicke ich mich nur so durch.

Du spielst heute deinen Abschluss. Wie geht es danach weiter?

Ich habe vorerst nicht vor, weiter zu studieren. Ich brauche gerade keine Institution, die mir sagt, was ich tun soll, ich möchte lieber selbstständig inspirierende Musiker aufsuchen. Ein Programm zu durchlaufen hat mir nie so gepasst, auch wenn ich tolle Lehrer hatte.  Ich glaube, gerade dank meines Professors Dieter Manderscheid habe ich jetzt einige Werkzeuge an der Hand, die mir das selbstständige weiterarbeiten erlauben. Köln ist mir mittlerweile eine Heimat geworden, ich habe mich hier gut  eingelebt. Hier ist immer etwas los, da hatte ich auch gar nicht so viel Luft, über einen Aufenthalt woanders nachzudenken.

 

Gibt es Projekte außer den Lampshades, auf die du gerade den Fokus legst?

Ich spiele in einigen Bands, aktuell würde ich das Zoom Trio mit Dominik Mahnig und Christian Lorenzen  nennen. Wir veröffentlichen im Juni ein Album bei Leo Records. Wir arbeiten viel mit elektronischen  Effekten, formal ist es aber deutlich frei gestalteter Jazz. Mit Fabians Band nehmen wir im Oktober im  Deutschlandfunk auf. Das sind gerade meine Herzensangelegenheiten. Natürlich mag ich auch das diffizil-akustische an Jazz, beispielsweise das Trio mit Jürgen Friedrichmit der neuen Platte „Reboot“, aber an  Projekten wie den Lampshades kann man sehen, dass ich auch die etwas härtere Gangart mag. Vielleicht spiegelt das wieder diese Unbedarftheit von Motian wieder, was mir heute Abend wichtiger wäre, als alle Facetten des Kontrabass-Spiels zu zeigen. Es ist Musik, die man nicht jeden Tag hört, und sie hat auch etwas mit mir zu tun.

© Luis Reichard 2015