03/2015: Examenskonzert David Helm – bass: The Lampshades – von Luis Reichard

30.3.2015

Christoph Möckel – sax., Ralph Beerkircher – guit., Fabian Arends – drums, David Helm – bass


„Ich heiße Helmut“, sagt der ostdeutsche Taxifahrer zu seinem New Yorker Kunden. „Helmet?“ fragt der Kunde amüsiert zurück, „Das ist dein Name? Helmet? Auf Englisch ist das ein Wort für eine Kopfbedeckung. Da könnte ich mein Kind ja auch Lampenschirm nennen“. Diese Szene aus dem Jim Jamusch Film „Night on earth“ (1991) inspirierte David Helm dazu, seine Band „The Lampshades“, zu nennen. Neben Helm besteht das 2012 gegründete Quartett aus Christoph Möckel (Tenorsax), Ralph Beerkircher (E-Gitarre) und Fabian Arends (Schlagzeug), allesamt Absolventen der Musikhochschule Köln. Ähnlich der Arbeitsweise Jamuschs schreibt Helm seinen Mitmusikern die Stücke quasi auf den Leib, für den gefragten Kölner Kontrabassisten ein neues Feld: „Heute stehen meine Kompositionen das erste Mal im Fokus, das war für mich eine spannende Herausforderung.“ Anlass zu diesem Perspektivenwechsel war Helms Examenskonzert am Montag im LOFT Köln. Etwa 80 ZuhörerInnen drängten sich in dem kleinen Konzertraum in Köln-Ehrenfeld, ein konzentriertes Publikum, es fiel kein Szenenapplaus während der Stücke.

An der Qualität des Dargebotenen lag dies sicherlich nicht, denn die vier Musiker zeigten solistisch wie begleitend hervorragende Leistungen. Es ist eher die dem modernen Jazz eigene organische Art der Solistenwechsel, die den Zuhörer im Hören lässt, ihm den Impuls zum Applaus nimmt. Diese Kunst, die Musik im Fluss zu lassen und den Zuhörer dramaturgisch einzubinden, beherrscht das Quartett mühelos.

Sichtlichen Spaß haben die Musiker vor allem in komponierten Passagen, wie im Stück „3“, bei dem besonders Helm und Arends der Genuss der schnell wechselnden Harmonien anzusehen ist. Die beiden bilden über das gesamte Konzert ein enges Team, denken förmlich gemeinsam, während Möckel und Beerkircher sich für die melodiösen Melodieteile zusammenschließen – eine Hommage an die Kompositionen des amerikanischen Schlagzeugers Paul Motian, mit denen die Band in einer Jamsession ihre Arbeit begann: „Mich fasziniert an Motian diese Unbedarftheit, mit der er an Musik herangeht, er arbeitet wenig mit Klischees. Wenn er dann doch welche benutzt, dann passieren sie einfach. Das Schöne daran ist, dass die Melodien sofort zur aktiven Gestaltung einladen“, sagt Helm.

Im dritten Stück des Konzerts, „Re“, sind diese Einflüsse deutlich zu hören. Nach einer zarten Kontrabassintro, das zum Ende hin nahtlos mit dem Schlagzeug zerfließt, erklingen vom Tempo des Stücks unabhängige, langsame Melodiephrasen von Gitarre und Tenorsax. Auch hier gelingt der Band ein organischer Fluss der Komposition hin zur Improvisation, bei der Helm den sehr aktiven Schlagzeuger mit peitschenden Bassläufen unterstützt. Beerkircher ergattert sich durch den sehr prägnanten Sound seiner Fender-Gitarre einen Platz im Rhythmus-Gebrodel, während Möckel, unbekümmert wie Motian, breite ruhige Melodien improvisiert. Schließlich reiht er sich mit eckigen Phrasen in das kleinteilige Spiel der Band ein und nutzt aufmerksam die kontrapunktischen Möglichkeiten, die ihm Beerkircher an der Gitarre bietet. Am Ende des Improvisationsteils lösen Helm und Arends tatsächlich kurz ihre Verzahnung, der Eine wendet seine Aufmerksamkeit der Gitarre zu, der Andere dem Saxophon. Diesen Wechsel in der Kommunikationsrichtung erlebt der Zuhörer fast plastisch wie in einer Kamerafahrt, bis der Fokus zum Ende wieder zum Kontrabass und dem kammermusikalischen Duktus zurückkehrt.

Helms erklärtes Ziel, die Dynamikspanne möglichst groß zu gestalten, gelingt der Band aus dem Stand. Besonders Arends riesiges Repertoire an Spielweisen und Möckels beeindruckender Dynamikumfang auf dem Saxophon tragen dazu bei. Ralph Beerkirchers Gitarrenklang ist sehr ausdifferenziert und verleiht der Band viel Biss – immer wieder fällt er allerdings wegen seines etwas knarzigen Sounds aus der klanglichen Geschlossenheit der Band heraus. Dafür zeigt er mit erdigen Soli Profil und überzeugt durch behutsame Solistenbegleitung. David Helm, der freundlich aber reserviert durch den Abend führt, zeigt sowohl kompositorisches Talent, als auch spielerische Reife (besonders gelungen: Das runde und schön gesetzte Thema seines Stücks „Botanian Hills“). Er agiert unaufgeregt virtuos in den Soli sowie atmosphärisch gekonnt in der Begleitung und zeigt damit eine exzellente Examensleistung.

Lediglich in allerletzter Instanz fehlt der Band das Werkzeug für den großen Knall, hier bleibt der Bass zu schmal, Arends Sound zu fein und Möckels Spiel zu brav. Aber dafür bieten „The Lampshades“ einen stilistisch stimmigen und souverän interpretierten Konzertabend und stellen ein weiteres Mal die gute Jazzausbildung in Köln und die gewinnbringende Zusammenarbeit zwischen dem LOFT Köln und der Jazzabteilung der Musikhochschule unter Beweis.

 © Luis Reichard 2015