12/2015: jungesloft – Duonale Vol III

jungesloft: Duonale Vol. III – Matinee

Duo Hubert Nuss – piano, Simon Seidl – piano

Duo Filippa Gojo – voc., Antoine Duijkers – perc.


© Peter Tümmers
© Peter Tümmers

Eine Matinee mit Jazz, das klingt nach spießiger Galastimmung und Häppchen. Doch es geht ganz unprätentiös zu im Kölner Loft, das sich laut Hans-Martin Müller als Werkstatt sieht für Jazz, „segelnd, im Windschatten der Kölner Musikhochschule und dem Stadtgarten.“Passend zum vierten Advent gibt es Glühwein und Stollen und ansonsten ist alles wie immer: Musik auf hohem Niveau in pragmatischem Ambiente.

Mit der Initiative „jungesloft“ leistet sich der Konzertort ein einzigartiges Spielfeld, es wurden gezielt junge Jazzmusiker beauftragt, Konzerte zu kuratieren. „Diese Generation von Musikern wollen wir ins Programm-machen einbinden“, bestätigt Müller, der das Loft seit 26 Jahren führt. Kurator Janning Trumann führt beim letzten Konzert seiner „Duonale“ wieder zwei Musiker zu einer neuen Duobesetzung zusammen, danach spielt eine bestehende Formation.

© Peter Tümmers
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Hubert Nuss und Simon Seidl gehen auf Einladung Trumanns im ersten Teil ein musikalisches Zwiegespräch ein, an zwei Flügeln sitzen sie sich gegenüber.Nuss unterrichtet an der Musikhochschule in Köln, Seidl ist sein Schüler gewesen. Während bei bekannten Klavierduos wie Hancock/Corea meist zwei eigensinnige Spieler mit klar zu unterscheidender Stilistik aufeinandertreffen, ähnelt sich die Spielweise von Nuss und Seidl durch das (wohl harmonisch verlaufene) Lehrer-Schülerverhältnis sehr. Wie ein Pianist mit vier Händen spielen sich die beiden Musiker durch bekannte Standards wie „On green Dolphin Street“ oder „All the things you are“.

Die Herangehensweise der beiden ist hörbar spielerisch, im Rahmen der harmonischen Form der Stücke toben sich Nuss und Seidl aus und genießen sichtlich die Verzahnung von Rhythmus und Harmonie. Die Rollen scheinen in jeder Sekunde neu verteilt zu werden, unmittelbar fällt einem der abgegriffene, aber nun eben einmal zutreffende Vergleich eines Ballspiels ein. „Es passte einfach“, fasst Nuss zusammen, längere Proben seien nicht nötig gewesen. So kommen die Stücke mit einer fast berstenden Frische daher, als würden zwei Pianisten zum Spaß einmal ausprobieren, ob man zeitgenössische Bigbandarrangements mit vier Händen auf dem Klavier spielen kann. Durch das hohe Tempo bleibt aber auch viel Potenzial ungenutzt, spielerische Höhepunkte werden durch immer neue Ideen überlagert, Nuss und Seidl rasenmanchmal an atmosphärischen Keimzellen und sich zart entfaltenden dynamischen Entwicklungenregelrecht vorbei. Es ist zu hoffen, dass die beiden Lust bekommen haben, auch einmal kompositorisch für vierhändiges Klavier tätig zu werden, das Publikum des Loft wäre ganz bestimmt interessiert.

© Peter Tümmers
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Das Duo aus Sängerin Filippa Gojo und Schlagzeuger Antoine Duijkers, kann den Fokus aufgrund ihrer mehrjährigen gemeinsamen Arbeit aufdie genannten Keimzellen legen. Ihre ausgefeilten Arrangements speisen sich aus kurzen Motiven auf Kalimba oder Glockenspiel, einem Groove, einer Melodie. Das Duo verbindet gekonnt eine vom Jazz kommende Art des Arrangements mit einem Sound zwischen Folkpop und World. Gojos rhythmische Sicherheit gibt ihrem Mitspieler viel Freiheit, sie scheut weder krumme Taktarten noch komplexe Riffs und kann, durch ihr Solo-Programm gestählt, mühelos auch fast unbegleitet ganze Stücke tragen. Englische Songs mischen sich mit portugiesischen und auch Gojos Herzensangelegenheit, Texte im Bregenzer Dialekt, finden ihren Weg ins Programm: „Es ist eine gemeinsame Vorstellung von Klang, die uns verbindet. Wir haben Spaß daran, die Duosituation als Balanceakt zu verstehen“, erklärt die Sängerin.

Der Höhepunkt ihres Sets ist paradoxerweise das langsamste Stück, „Monologues“. Die Komposition von Duijkers, die er während einer Übephase im Wald entwarf, streckt einen so intimen Moment auf Stücklänge, dass die Zeit förmlich stehen bleibt. Die Klangkulisse aus gestrichenen Wassergläsern, Glockenspiel, Stimme und sparsamem Schlagzeug erzeugt ein Gefühl tief empfundener Verbundenheit mit den Sinnfragen, die der Liedtext stellt.

© Peter Tümmers
© Peter Tümmers

Nicht zuletzt sind es solche musikalischen Sternstunden, die kuratorische Arbeit sinnvoll und sichtbar machen. Janning Trumann hat mit seiner „Duonale“ über drei Konzerte hinweg völlig unterschiedlichen Spielarten des Jazz eine Bühne und den Beteiligten Raum gegeben, den Balanceakt einer Duobesetzung zu erforschen. Er stellt seine Konzertreihe Duonale zu Beginn bewusst in den Kontext des Projekts „jungesloft“ und den anderen drei Konzertreihen „First Meetings“, „Impakt – 3 Generationen“ und „Stimmungen“. Sein Dank gilt Hans-Martin Müller (Loft) und Dieter Manderscheid (Verein 2nd Floor), die Mittel des Spielstättenprogrammpreises an die kreative junge Jazzgeneration weitergegeben haben. Es ist mehr als verwunderlich, dass dieses Engagement nicht erneut ausgezeichnet wurde – denn die Erfahrung, selbst Konzerte zu organisieren und künstlerisch zu kuratieren, ist jedem jungen Jazzmusiker zu wünschen. Doch so fehlen dem Projekt „jungesloft“ für eine Fortsetzung schlichtweg die Mittel.

©Luis Reichard 2015