11/2019: Stefan Schultze Large Ensemble | Springlebendig – Unkonventionell – Eingängig

Rezension von Uwe Bräutigam auf nrwjazz.net

Köln, 03.12.2019 | Komuso ist der Titel eines Stückes von Stefan Schultze, das er mit seinem Large Ensemble spielt. Komuso nannten sich im 17. Jahrhundert buddhistische Wandermönche in Japan, die als meditative Praxis, die Shakuhachi Bambusflöte spielten. Während dieser Zeit war Reisen und Umherwandern in Japan eigentlich nicht erlaubt. Der Shogun hatte Angst, es könne zur Organisation eines Aufstandes dienen. Die wandernden Mönche bildeten eine Ausnahme. Um sicher zu stellen, dass die keine verkleideten Spione sind, mussten sie manchmal auf der Flöte zeigen, dass sie sehr komplexe Stücke spielen können.

Nicht nur mit dem Stück Komuso, sondern auch mit allen anderen Stücken hat Stefan Schultze und seine MusikerInnen jeden Zweifel ausgeräumt, dass sie Spione seien. Mit Bravour, Eleganz und einer gehörigen Portion Humor spielt das Large Ensemble seine anspruchsvollen komplexen Stück.

Das Konzert im Kölner Loft ist der Abschluss einer Tournee mit neun Auftritten, die in Berlin begann. Im Loft wird das Konzert auch mitgeschnitten.

Der Name Large Ensemble ist gut gewählt, denn mit elf MusikerInnen ist die Band deutlich kleiner als eine übliche 18 köpfige Big Band. Vor allem ist die Musik von Stefan Schultzes Large Ensemble vom konventionellen Big Band Sound soweit entfernt wie Frank Zappa von den Rolling Stones.

Stefan Schultze nutzt die Möglichkeiten, die ihm solch ein großes Ensemble bietet für seine unkonventionelle Musik, die unausgetretene Wege geht und immer nach neuen Klängen forscht.

Seine Erfahrungen und Inspirationen aus seinem Japanaufenthalt, die auch zur Tokyo Suite geführt haben, werden in Teilen ebenso im Large Ensemble umgesetzt, wie Alttagsbegegnungen in Berlin oder Sounderlebnisse in Liverpool. Da wird im Stück Der Antiheld Winterfeld ein kruder Charakter porträtiert. Leonard Huhn spielt (nicht nur ) hier ein bemerkenswertes Solo auf dem Altsaxophon.

Im oben schon erwähnten Werk Komuso werden Elemente japanischer traditioneller und neuer Musik aufgegriffen, ebenso wie in einem Stück, das in deutscher Übersetzung Die fließende Welt heißt. Das Stück beginnt mit Sound, der ein Fließen oder Schweben suggeriert, das immer mehr anschwillt. Magnus Schriefl spielt ein eindrückliches Solo auf der Trompete, ebenso wie Elena Kakaliagou auf ihrem Horn. Elenas Solo wird von Vibraphon und Marimbaphon begleitet. Das ist eine Besondertheit des Large Ensembles, es gibt ein Vibraphon und Marimbaphon mit erweiterten Perkussionselementen, aber kein Schlagzeug. Nicht nur in der Komposition, sondern auch in der Instrumentierung geht Stefan Schultze neue Wege. Auch Peter Ehwald gibt sich mit dem Sopransaxophon in den Rhythmus des Stückes ein und spielt ein imposantes Solo. Ehwald ist ein alter Weggefährte von Schultze, die beiden spielen schon seit dem Studium in diversen Bandprojekten zusammen. Peter Ehwald steuert mit Tenor- und Sopransaxophon und auf der Klarinette viel zur großartigen Musik des Large Ensembles bei.

Stefan Schultze selbst leitet vom Flügel aus die Band. Wobei im zweiten Set das Klavier präpariert ist.

Eine Klangerfahrung mit einer Frecking Bohrmaschine in einem Technikmuseum in Liverpool bildet die Inspirationsquelle für ein langes Werk mit präpariertem Klavier. Neben der Klavier ist auch die E-Gitarre von Peter Meyer präpariert. Die anderen MusikerInnen setzen an ihren Instrumenten extended technics ein, Klackgeräusche am Horn, Luftgeräusche an Saxophon und Trompete oder Bogenstreiche am Vibraphon. Felix Henkelhausen produziert schräge Klänge am Bass, als sei er ihn am Zersägen. Zum Stück gehört auch ein sehr schönes Zusammenspiel von Marimbaphon und Vibraphon mit Stefan Schultzes präpariertem Klavier oder auch von Gitarre, Trompete und Klarinette in sehr melodischer Art. Das Werk endet mit einem längeren Hornvibrato, das nocheinmal an den Freckingbohrer erinnert.

Das letzte Stück Der Kulturgeier und die Zugabe Ton-Gu sind ausgesprochen rhythmusbetont.

Im Kulturgeier kommen schnelle Marimba- und Vibraphon Passagen vor, die ein atemloses Hetzen abbilden, Musik einer turbulenten Großstadt – Berlin Babylon. Bei Ton-Gu werden allerlei Dosen und Gerätschaften zur Perkussion eingesetzt. Es beschwört das Spiel einer bekifften Marching Band, zu der eine ausgelassene Menge tanzt.

Die Musik von Stefan Schultze ist spritzig, total spannend, unkonventionell und unvorhersehbar. Irgendwo kommt immer eine unerwartete Wendung um die Ecke.

Ein Konzert voll Überraschungen, das Spaß macht ohne trivial zu sein. Selten ist ein großes Ensemble so originell und frisch.

Stefan Schultze Large Ensemble:

Leonhard Huhn (Alto, Clarinet), Peter Ehwald (Tenor, Soprano, Clarinet), Magnus Schriefl (Trumpet), Elena Kakaliagou (Horn), Peter Meyer (Guitar), Felix Henkelhausen (Bass), Roland Neffe (Vibraphone, Marimba), Evi Fillipou (Vibraphone, Marimba),Christian Heck (Loudspeaker), Stefan Schultze (Piano, Composition)

http://stefanschultze.com/de/