zum Artikel auf www.stadtrevue.de
Eigentlich undenkbar: ein erfolgreicher unabhängiger Ort für zeitgenössischen und futuristischen Jazz. Doch selbst die Großen der Szene warten geduldig auf freie Spieltermine in Ehrenfeld
Um die Bedeutung von Initiativen, die wir als selbstverständlich hinnehmen, zu ermessen, sollte man ab und an einen Schritt zurücktreten und das Unwahrscheinliche an dem Glück ihrer Existenz betrachten: Eigentlich konnte das nicht gut gehen, einen Laden in der hintersten Ecke Ehrenfelds zu eröffnen und jeden Abend den Vorhang zu lüften für dem Mainstream dezidiert abgeneigter Musik. Die Rede ist vom Sonic Ballroom. Es ist doch auch verrückt, in einem Nachtclub mit einstiger Anbindung ans Rotlicht-Milieu ein aufregendes Theorie- und Singer/Songwriter-Programm durchzusetzen. Die Rede ist vom King Georg.
Und es ist eigentlich ganz und gar undenkbar, einen unabhängigen Ort für zeitgenössischen und futuristischen Jazz zu schaffen, ihn so musiker- und publikumsfreundlich zu gestalten, dass man fast vollständig auf Werbung verzichten kann und selbst die Großen der Szene geduldig auf freie Spieltermine warten, und das über Jahrzehnte durchzuhalten. Die Rede ist vom Ehrenfelder Loft.
Die Entstehung und auch Gestaltung dieses Ortes, einer optimal ausgebauten Fabriketage hoch über der Wissmannstraße, verdankt sich dem Engagement des Kölner Musikers Hans Martin Müller, der bei den zahlreichen Konzerten Monat für Monat immer noch viel Einsatz an der Theke, der Kasse, bei der Betreuung der Musiker zeigt. Mittlerweile wird das Loft von einem Verein getragen, hat öffentliche Anerkennung und Solidarität erfahren (als es darum ging, den teuren Einbau einer Feuerleiter zu finanzieren), Musikerinitiativen haben den Ort für sich nutzen können. Trotzdem spürt man bis heute, dass hier nichts »installiert« wurde, sondern der Flair sich dem Enthusiasmus eines Entrepreneurs verdankt: Obwohl es keine Barriere zwischen Musikern und Publikum gibt, ist der Umgang miteinander immer respektvoll und freundlich.
Das Loft hat den anderen bedeutenden Jazz-Orten dieser Stadt, dem Stadtgarten oder auch dem Alten Pfandhaus, nichts bestritten, umgekehrt gilt das genauso. Das spricht für die Eigenständigkeit des Programms. Ab dem 23.9. wird in neun Konzerten der 25-jährige Geburtstag gefeiert. Loft-Helden wie etwa Frank Gratkowski, Simon Nabatov, Hayden Chisholm, Sebastian Gramms oder das Multiple Joyce Orchestra sind am Start. Aber die Pointe ist: Schon vor dem 23. wird es elf Konzerte geben, einfach so, und das Programm ist genauso gut. Eben: das Unwahrscheinliche möglich machen!
Text: Felix Klopotek