22.01.2015
Starkes Netzwerk unter Strom – das INSUB META ORCHESTRA im LOFT
Cyril Bondi, d’incise, Hans Koch, Coralie Lonfat, Sébastien Branche, Gérald Zbinden, Christophe Berthet, Jamasp Jabvala, Bruno Crochet, Eric Ruffing, Luc Müller, Bertrand Gauguet, Lea Danzeisen, Gerald Perrera, Raphael Ortiz, Thomas Peter, Christoph Schiller, Christian Müller, Simon Bolay, Steve Buchanan, Rodolphe Loubatière, Gregor Vidic, Filippo Provenzale
Gut, dass es das Loft gibt. An diesem Ort bietet sich wie an keinem anderen in Köln die Möglichkeit, die dargebotene Musik auf Tuchfühlung, intim, quasi in Wohnzimmer-Atmosphäre zu erleben, und das bei einem Duo genauso wie bei einem Orchester, bei internationalen wie bei lokalen Ensembles.
Am 22. Januar gab es Gelegenheit, das „INSUB META“ Orchester aus Genf zu hören, das 23 Musikerinnen und Musiker aus der Schweiz, aber auch aus Deutschland und Frankreich vereint. In konzeptuellen Stücken zeigte das Ensemble, dass Improvisation nicht im Widerspruch zu Komposition steht, sondern dass eine strikte Vorgabe ein Mittel sein kann, klare Entscheidungen der Musiker zu erzwingen und so einen fein austarierten Ensembleklang zu erzeugen.
Das erste Stück von dreien bestand aus wiederkehrenden Klangflächen, die durch lange Pausen unterbrochen waren. Das Klangmaterial war von Fläche zu Fläche unterschiedlich, doch mit Fortdauer des Stückes wurde klar, dass jeder Spieler individuell nur minimal variierte. Die Entscheidung über Pausendauer und den Moment des Wiedereinsetzens kam aus dem Ensemblekollektiv, das sozusagen gemeinsam atmete. Ab dem ersten Ton war klar, dass hier jeder Klang vertraut ist und in ein wohldosiertes Verhältnis zu den anderen Instrumenten/Spielenden gesetzt wurde; fast neutral, wissenschaftlich, getragen von einer gelassenen, durchaus angenehmen Ruhe der Spielenden, die sich auf das Publikum übertrug. So ein Spiel erlaubt Blicke aufs Detail. Beispielsweise erzeugte – bei den durchaus sehr langen Pausen – der Moment kurz vor dem nächsten Einsatz eine faszinierende Dichte, schien die Farbe des kommenden Klanges fast schon vorweg zu nehmen.
Das zweite Stück bestand aus nach Instrumentengruppen unterteilten Klang- oder Textur-flächen. Vier Komponenten, Saxophone, Streicher, Perkussion und Elektronik, wurden fast wie von einem Improvisations – Quartett zueinander gesetzt, übereinander gelegt, wechselten sich ab. Erstaunlich war die Homogenität der Geräusche, hörbar die Feinarbeit, die das Ensemble an der Mischung von Geräusch und Klang seit Jahren geleistet hat. Jede Musikerin, jeder Musiker stellte sich ganz in den Dienst seines Satzes, der aber offensichtlich kollektiv organisiert war und zusammen hörend im Moment agierte. Hier ordnen sich versierte Improvisatoren und – dem Instrumentarium nach zu urteilen – ausgeprägte Individualisten dem gemeinsamen Klangprozess unter, ohne dabei ihre Verantwortung abzugeben. Das Hören war in der Mitte des Klanges.
Das dritte Stück war vielleicht das extremste: Circa eine halbe Stunde lang wurde ein Klang, ein möglichst weißes Rauschen in der Schwebe gehalten. Das Geräusch wuchs mehr und mehr zusammen, wurde immer homogener, klang wie aus einem Mund bzw. Lautsprecher und doch öffneten sich gleichsam die Ohren der Zuhörenden mehr und mehr. Kleinste Änderungen der Klangfarbe, feinste Bewegungsklänge und Klangbewegungen wurden prominent. Die Musiker hielten die Spannung, jeder Moment wurde auf den Prüfstand des gemeinsamen Ganzen gestellt. Spielende wie Publikum lieferten sich dem Klang aus. Und so blieb dieses monochrome Musikstück stets spannend, wurde aus der Reduktion kein Zwang, sondern sie öffnete: den Raum und die Musik.
Ob man hier nun improvisierte Musik gehört hat? Schwer zu sagen. Aber MUSIK hat man gehört. Wer im Loft war, hat es erlebt.
Carl Ludwig Hübsch