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Jaeger – Gisler – Rainey

Montag 14. Dezember 2015 - 20:30

Michael Jaeger – ts, cl, comp
Fabian Gisler – bass
Tom Rainey – dr


CD Release: A Pyramid Made of Music (Qilin010, Brokensilence)

Funken des Jetzt Zum Release von A Pyramid Made Of Music von Jaeger-Gisler-Rainey von Stefan Franzen

„Ein halbes Jahrhundert nach den Errungenschaften Ornette Colemans und John Coltranes stellt sich die nicht ganz neue Frage vielleicht noch etwas lauter: Wo lässt sich, 50 Jahre nach „Free Jazz“ und „Ascension“ ansetzen, um freies Musizieren nicht outdated erscheinen zu lassen? Wie kann man einer damals notwendigen Revolution der Tonsprache, einer zwingenden Entgrenzung heute noch Aktualität verleihen? Die Antwort, die Michael Jaeger, Fabian Gisler und Tom Rainey in ihrer Trioarbeit geben, ist ganz konkret, hat zugleich aber eine philosophische Dimension. Der Zürcher, der Basler und der New Yorker schöpfen nicht aus dem „Vollen“, aus der kollektiven Improvisation eines Orchesters, dem Maximum an simultan zu hörendem Tonvorrat. Vielmehr haben sie sich für eine äußerste Konzentration der Mittel entschieden: Tenorsaxophon oder wahlweise Klarinette, Bass und Schlagzeug. Man könnte da das vielbemühte Wort „Transparenz“ ins Feld führen, doch rührt es in diesem Kontext kaum ans Wesentliche. Es ist vielmehr das Momentum der Stille, der Pause, des Nicht-Gespielten als diejenige Kraft, aus der sich ihre Improvisationen herausschälen.  „A Pyramid Made Of Music“ – im Titel zum vorliegenden Mitschnitt vom Unerhört-Festival Zürich 2012 spinnt sich diese Vorstellung fort: Fabian Gisler gebraucht das Bild von der Spitze der Pyramide, um zu beschreiben, wo sich die Musik des Trios manifestiert. Sicht- oder hörbarer Punkt eines Körpers, der alles beherbergt, was unausgesprochen bleibt, als großer Pool des Möglichen. Ein Punkt, der ja nur existieren kann, da die Flanken, der gesamte Inhalt des Korpus auf ihn hinführt. Was letztendlich von diesem winzigen Punkt, dieser Spitze aus ertönt, ist Explosion des Darunterwohnenden: des inspirierten Augenblicks, der Biographien, der gesellschaftlichen Voraussetzungen und – ganz wesentlich – der Interaktion mit dem Publikum.  Wenn das freie Spiel aus dem Funken des Jetzt schöpft, ergibt es mehr als irgendwo anders Sinn, eine Livesitutation einzufangen wie hier geschehen. Man kann förmlich mitlauschen, wie sich Jaeger, Gisler und Rainey in „Gate“ aus dem noch fast tonalen Beginn das Freie erobern. In zwei großen Spannungsbögen pulsiert dieses Eröffnungsstück, das sich zwischendurch ganz auf den Atem, aufs Besinnen zurückzieht. Für „Bis“ hat Jaeger die Klarinette gewählt, setzt schweifende Arabesken zur delikat polternden Rhythmussektion – eine Reverenz an die nächtlichen Orientalismen Gillespies? Im geräuschhaften Umwinden von Sax und Bass versteckt sich fast etwas Elegisches, das im Verlauf von „Etzet“ in ein intensives Miteinander leitet, in eine äußerst konzentrierte Gegenwart. Aus dem Rhythmischen hingegen wird „Rullo“ geboren, bevor sich diese lange Improvisation aus einer stetigen Spannung zwischen fast sanglichen Themen und kollektiver Spontaneität entrollt. Der Zürcher Tenorsaxophonist und Klarinettist Michael Jaeger hat nach eigenem Bekunden die Faszination am Improvisieren schon im Jugendalter durch Charlie Parker und Dizzy Gillespie aufgesogen. Bassist Fabian Gisler lotet auf seinem Bass stetig neue Räume aus, etwa in der unorthodoxen Formation Rusconi. Tom Rainey schließlich ist am Ausgangspunkt des freien Jazzdenkens beheimatet, in New York, wo er vier Dekaden lang mit Kreativköpfen verschiedenster Lager wie Kenny Werner, Tim Berne und Fred Hersch gewirkt hat. Somit führen die drei Musiker auch ganz selbstverständlich die Geographien des Free Jazz zusammen, die am Anfang seiner Geschichte noch als getrennte Blöcke da standen. Im Spiel dieser drei wird freie Tonsprache auf anregende Weise neu belebt – als eine Innerlichkeit der Geistesblitze.“