11/2015: jungesloft – IMPAKT Kollektiv Köln und Evan Parker

 

jungesloft: IMPAKT Kollektiv Köln und EVAN PARKER

Evan Parker – sax., Brad Henkel – trp., Nicola Hein – git, Constantin Herzog – bass, Niklas Wandt – drums


© Martin Paret
© Martin Paret

Was ist europäischer Jazz? Eine Antwort auf diese Frage hat Evan Parker mit seinem Lebenswerk gegeben, das mit Solo- und Ensembleaufnahmen eine ganze Schrankwand füllt. Kein Wunder also, dass die Mitglieder des Impakt Kollektivs für frei improvisierte Musik den Saxophonisten als letzten Gast ihres Projekts „jungesloft – 3 Generationen“ eingeladen haben.

Zwar liegen mehrere Jahrzehnte Lebensalter zwischen den Musikern, die sich am 30.11.2015 im Kölner Loft die Bühne teilen. Doch es besteht ein klarer Bezug: „Die Jazztradition ist für uns alle sehr präsent“, betont Impakt Mitglied und Gitarrist Nicola Hein. „Was wir machen ist europäische Musik, eine europäische Reflektion der amerikanischen Jazztradition. Die Auseinandersetzung und Weiterentwicklung der Experimente der 60er und 70er Jahre, die uns heute noch beschäftigt, wurde eben durch Spieler wie Evan Parker oder Paul Lytton angestoßen„.

Das Ensemble bedient sich aus diesem Grund der Sprache des Free Jazz, in der sich der Gast am Tenorsax am meisten zu Hause fühlt. Kollektivsoli sind eher die Seltenheit, meist bildet sich eine motivische oder klangliche Führung heraus, die gestützt, begleitet oder kontrapunktiert wird. Parker steht mit seinem klaren Tenorsound im Fokus, experimentiert mit Viertel- und Achteltönen, pausiert eher, als dass er begleitet. Trompeter Brad Henkel ist durch eine Vielzahl von Spielweisen deutlich flexibler und zeigt ähnlichen Biss wie Parker in früheren Jahren, als er seine „extended techniques“ (erweiterte Spielweisen) auf dem Saxophon entwickelte.

© Martin Paret
© Martin Paret

Der Konzertabend zeigt das hohe Niveau, auf dem im Impakt Kollektiv improvisiert wird. Nicht jeder könnte einem Urgestein wie Evan Parker so ebenbürtig gegenübertreten wie die vier Kölner Musiker des Kollektivs. Ganz menschliche Prozesse entstehen gerade in dieser Zusammensetzung der improvisierenden Gruppe: Wer übernimmt die Führung? Wer besitzt Autorität und setzt sich durch, wer besitzt Größe und kann sich auch mal zurücknehmen? Für welche musikalische Aussage entscheidet sich die Gruppe und welche Parameter geben dafür den Ausschlag? „Besonders in der improvisierten Musik geht es um das Gesamte des Menschseins„, bestätigt Hein.

In Erinnerung bleiben Momente von musikalischer Klarheit: starke solistische Parts wie Ende des ersten Teils von Constantin Herzog, der seinem Kontrabass geradezu synthetische Klänge entlockt, oder immer wieder die tragischen, oboenhaften Klänge des Trompeters Brad Henkel. Aber eben auch überragende Gruppenimprovisationen, beispielsweise wenn arrhythmische Einzeltöne des Ensembles von Schlagzeuger Niklas Wandt zu einem pulsierenden Gebilde zusammengekittet werden.

© Martin Paret
© Martin Paret

Die Meisterschaft in der frei improvisierten Musik besteht darin, eine eigene Sprache zu entwickeln. Ist da nicht der Blick nach vorne zentral? Um Humboldt zu bemühen: „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“. Deshalb besinnt sich das Impakt Kollektiv in ihrer Konzertreihe „jugnesloft – 3 Generationen“ auf die Wurzeln seines Schaffens und gibt gemeinsam mit Gast Evan Parker einen überzeugenden Einblick in den europäischen Free Jazz, der nun schon selbst eine Tradition geworden ist.

© Luis Reichard 2015